KDFB

„Wir müssen zu den Symptomen gehen“

Peter Niedergesäß, Christiane Fröhlich, Norbert Arntz (v.lks.)

Die Arbeitsgemeinschaft katholischer Organisationen und Verbände Diözese Rottenburg-Stuttgart (ako) forderte auf ihrer Jahrestagung am 13./14. Januar 2017 eine Veränderung des politischen Handelns: Der Vorsitzende Peter Niedergesäss sagte: „Deutschland trägt eine Mitverantwortung dafür, dass Menschen fliehen müssen. Deshalb braucht es neben den konkreten Hilfsprojekten der Verbände, die Fluchtursachen bekämpfen, politische Maßnahmen, die notwendige strukturelle Änderungen herbei führen.“ Peter Niedergesäss nannte insbesondere die Zunahme der Rüstungsexporte, den Beitrag zur Verschlechterung des Klimas und Handelsverträge zuungunsten des Globalen Südens als Beispiele der Mitverantwortung.


Die Friedens- und Konfliktforscherin Dr. Christiane Fröhlich (Uni Hamburg) wies darauf hin, dass 90 Prozent der Flüchtlinge weltweit in Entwicklungsländern leben. In Syrien sei über die Hälfte der Bevölkerung vertrieben worden, nur fünf Prozent davon sei aber bislang im Westen angekommen. Fröhlich kritisierte, dass stets nur diejenigen wahrgenommen würden, die flüchten können. Viel wichtiger sei es dagegen, diejenigen in den Blick zu nehmen, die keine Möglichkeit haben, ihre Situation zu verändern. Migration sei nicht einfach: es brauche u.a. sehr viel Geld, um überhaupt fliehen zu können.


Fröhlich, die zahlreiche Interviews mit syrischen Flüchtlingen geführt hat, stellte klar: „Die wenigsten Flüchtlinge wollen nach Europa!“ Die meisten wünschten sich nichts mehr, als in ihren Heimatländern ein sicheres Leben zu führen.
Vor diesem Hintergrund bemängelte Fröhlich das Engagement der Staatengemeinschaft bei der Bekämpfung von Fluchtursachen: Das UNHCR habe nicht einmal die Hälfte des erbetenen Betrags erhalten, die Ausgaben für Militär und Kriegsführung und die Ausgaben für humanitäre Hilfe stünden in keinem Verhältnis, auch das Welternährungsprogramm werde ständig gekürzt.


Pfarrer Norbert Arntz vom Institut für Theologie und Politik Münster bezeichnete diese Art der Verachtung menschlicher Not als „Heidentum“. Mit Papst Franziskus plädierte er dafür, die Gegenwart aus dem Blickwinkel der Opfer zu sehen: „Was ist los mit der Welt von heute, die beim Bankrott einer Bank sofort skandalöse Summen für die Rettung der Bank bereitstellt, aber bei solch einem Bankrott der Menschlichkeit nicht einmal den tausendsten Teil zur Verfügung hat, um diese Geschwister zu retten, die so viel leiden.“ (Papst Franziskus im Flüchtlingslager Moria, Lesbos, 16. April 2016). Arntz forderte einen Willen zur Veränderung und betonte, dass die Zukunft der Menschheit nicht nur in der Hand der Verantwortungsträger liege, sondern in der Hand jeder und jedes Einzelnen.